Veröffentlicht am Mai 15, 2024

Wirksamer Klimaschutz scheitert nicht am Wissen, sondern an systemischer Trägheit und dem Fokus auf die falschen Hebel.

  • Die meisten Klimaneutralitäts-Versprechen sind durch fehlerhafte Kompensationen irreführend und lenken von echten Reduktionsmaßnahmen ab.
  • Statt auf Einzelaktionen zu setzen, müssen Organisationen und Kommunen strategische Pläne mit klaren Prioritäten (Impact vs. Effort) entwickeln.

Empfehlung: Konzentrieren Sie Ihre Ressourcen auf Maßnahmen mit „doppelter Dividende“ – solche, die sowohl CO₂-Emissionen senken (Mitigation) als auch die Resilienz gegenüber Klimafolgen stärken (Adaptation).

Seit Jahrzehnten ist die Klimakrise in aller Munde, doch die globalen CO₂-Emissionen steigen weiter. Viele engagierte Klimaschutzbeauftragte, Aktivisten und kommunale Entscheider fühlen sich frustriert: Trotz unzähliger Appelle, Initiativen und gut gemeinter Ratschläge wie dem Wechsel zu Ökostrom oder der Reduzierung des Fleischkonsums scheint der große Durchbruch auszubleiben. Die Diskussion dreht sich oft im Kreis, gefangen zwischen persönlicher Verantwortung und der scheinbar unbeweglichen Masse großer Systeme. Man hat das Gefühl, gegen eine unsichtbare Wand zu laufen.

Doch was, wenn das Problem weniger im Mangel an individueller Bereitschaft liegt, sondern vielmehr in den strategischen Ansätzen selbst? Was, wenn die Konzentration auf leicht sichtbare, aber wenig wirksame Symbolpolitik die wahren Wirkungshebel verdeckt? Die Wahrheit ist, dass viele verbreitete Klimaschutzstrategien von psychologischen Denkfehlern und systemischer Trägheit untergraben werden. Greenwashing und irreführende Kompensationsmodelle verschleiern die Realität und wiegen uns in falscher Sicherheit.

Dieser Artikel bricht mit den üblichen Platitüden. Statt einer weiteren Liste von Energiespartipps liefert er einen strategischen Fahrplan für echte, messbare CO₂-Reduktion. Wir analysieren, warum bisherige Bemühungen oft ins Leere laufen, und zeigen Ihnen, wie Sie diese Blockaden überwinden. Sie lernen, wie man einen schlagkräftigen lokalen Klimaaktionsplan aufstellt, knappe Budgets intelligent investiert, Greenwashing entlarvt und so über die Klimakrise kommuniziert, dass aus lähmender Angst echte Mobilisierung wird. Es ist Zeit, von gut gemeint zu gut gemacht zu wechseln.

Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, gliedert sich dieser Artikel in strategische Blöcke. Jeder Abschnitt baut auf dem vorherigen auf und liefert Ihnen konkrete Werkzeuge und Einsichten, um Ihre Klimaschutzbemühungen auf die nächste, wirksamere Stufe zu heben.

Warum steigen CO₂-Emissionen trotz drei Jahrzehnten Klimabewusstsein immer noch?

Die Diskrepanz zwischen dem weit verbreiteten Bewusstsein für den Klimawandel und den stetig steigenden Emissionen ist eines der größten Paradoxa unserer Zeit. Die Antwort liegt nicht im Mangel an Wissen, sondern in tief verankerten systemischen und psychologischen Barrieren. Eine dieser Hürden ist die systemische Trägheit: Bestehende Infrastrukturen, wirtschaftliche Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen und langwierige politische Prozesse verlangsamen den Wandel erheblich. Selbst wenn eine Mehrheit eine Veränderung wünscht, widersetzen sich die etablierten Systeme.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist der sogenannte Rebound-Effekt. Technologische Effizienzgewinne führen oft nicht zu den erhofften Einsparungen, weil sie durch verändertes Verhalten kompensiert werden. Wer ein sparsameres Auto kauft, fährt möglicherweise mehr. Wer sein Haus dämmt, heizt vielleicht wärmer. Studien des Umweltbundesamtes zeigen, dass bei der Raumwärmenutzung direkte Rebound-Effekte von bis zu 30% die erzielten Einsparungen zunichtemachen können. Dies ist kein individuelles Versagen, sondern ein vorhersehbares systemisches Muster.

Auf psychologischer Ebene wirkt die Verantwortungsdiffusion. Der BDP-Bericht „Psychologische Perspektiven im Klimawandel“ von 2024 verdeutlicht, dass die gefühlte Verantwortung des Einzelnen abnimmt, je größer die Gruppe der Handelnden ist. In großen Organisationen oder ganzen Gesellschaften führt dies zu dem Gefühl: „Warum sollte ich anfangen, wenn die anderen nichts tun?“ Dieses Phänomen der kollektiven Untätigkeit lähmt proaktives Handeln, selbst wenn das Problembewusstsein hoch ist. Wirksame Klimastrategien müssen daher diese psychologischen Fallstricke und systemischen Barrieren explizit adressieren, anstatt nur an das individuelle Gewissen zu appellieren.

Wie Sie einen lokalen Klimaaktionsplan in 7 Schritten von der Bilanz zur Umsetzung erstellen

Ein lokaler Klimaaktionsplan ist das zentrale Instrument, um von der abstrakten Zielsetzung zur konkreten Umsetzung zu gelangen. Statt in bürokratischen Endlosschleifen zu verharren, ist ein agiler und pragmatischer Ansatz entscheidend. Der Schlüssel liegt darin, eine „Koalition der Willigen“ zu bilden, die nicht nur aus der obersten Führungsebene, sondern auch aus Schlüsselpersonen des mittleren Managements besteht, da hier oft die Umsetzungshoheit liegt. Der Prozess lässt sich in sieben handlungsorientierte Schritte unterteilen, die auf eine dynamische Steuerung statt auf starre Fünfjahrespläne setzen.

Der Prozess beginnt mit einer ehrlichen IST-Analyse und CO₂-Bilanzierung, um die größten Emissionsquellen („Hotspots“) zu identifizieren. Sobald die Daten vorliegen, kommt das wichtigste strategische Werkzeug zum Einsatz: die Impact-Effort-Matrix. Mit ihr priorisieren Sie Maßnahmen danach, wie viel Wirkung (Impact) sie mit welchem Aufwand (Effort) erzielen. Dies ermöglicht die Identifizierung von „Quick Wins“ – Maßnahmen mit hohem Impact und geringem Aufwand, die schnelle Erfolge liefern und die Motivation im Team hochhalten. Typische Quick Wins sind der Wechsel zu zertifiziertem Ökostrom oder die Umstellung der Beleuchtung auf LED.

Die folgende Tabelle, basierend auf Analysen des Umweltbundesamts, gibt eine beispielhafte Einordnung gängiger Maßnahmen:

Impact-Effort-Matrix für Klimamaßnahmen
Maßnahmentyp Impact Aufwand Priorität
Ökostrom-Wechsel Hoch (1t CO₂/Jahr) Gering Quick Win
LED-Umstellung Mittel Gering Quick Win
Gebäudesanierung Sehr hoch Hoch Langzeitprojekt
Fuhrpark-Elektrifizierung Hoch Mittel Mittelfristig

Anstatt einen perfekten, aber starren Plan zu entwickeln, sollten Sie in agilen Sprints arbeiten. Testen Sie Maßnahmen in kleinem Rahmen, lernen Sie aus unvermeidlichen Fehlschlägen und passen Sie den Plan dynamisch an neue technologische Entwicklungen oder veränderte Rahmenbedingungen an. Kommunizieren Sie jeden Erfolg, um die Dynamik aufrechtzuerhalten und weitere Stakeholder zu überzeugen. Dieser iterative Prozess macht Klimaschutz zu einem lebendigen Management-Thema statt zu einem verstaubten Aktenordner.

Mitigation oder Adaptation: Wo sollten knappe Klimabudgets prioritär investiert werden?

Die Debatte, ob knappe finanzielle Mittel primär in die Minderung von Emissionen (Mitigation) oder in die Anpassung an unvermeidbare Klimafolgen (Adaptation) fließen sollten, ist oft polarisierend. Doch dies ist eine falsche Dichotomie. Eine intelligente Klimastrategie verfolgt beide Ziele gleichzeitig und identifiziert gezielt Projekte, die eine doppelte Dividende abwerfen. Das sind Maßnahmen, die sowohl dem Klimaschutz dienen als auch die Resilienz gegenüber den bereits spürbaren Auswirkungen wie Hitzewellen, Dürren oder Starkregen erhöhen.

Die Notwendigkeit für Anpassungsmaßnahmen ist unbestreitbar. Selbst bei ambitioniertestem Klimaschutz sind weitere Klimaveränderungen bereits ins System eingeschrieben. Eine Studie im Auftrag des BMWK zeigt, dass ohne weitere Anpassungen mögliche Klimafolgekosten von bis zu 900 Milliarden Euro allein für Deutschland bis 2050 entstehen könnten. Investitionen in Adaptation sind also keine Kapitulation vor der Krise, sondern ökonomisch und sozial zwingend notwendig, um Schäden zu minimieren und die Funktionsfähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft zu sichern.

Um die duale Strategie von Mitigation und Adaptation zu visualisieren, hilft die folgende Darstellung:

Visuelle Darstellung der dualen Klimastrategie mit Mitigation und Adaptation

Ein herausragendes Beispiel für eine solche „No-Regret“-Maßnahme mit doppelter Dividende ist die Moorrenaturierung, wie sie das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz fördert. Intakte Moore sind gigantische Kohlenstoffspeicher (Mitigation), während sie gleichzeitig wie ein Schwamm wirken, der bei Starkregen Wasser aufnimmt und in Dürreperioden wieder abgibt (Adaptation). Ähnliche Synergien bieten die Begrünung von Dächern und Fassaden, die Gebäude kühlt (Adaptation) und gleichzeitig Lebensraum für Insekten schafft und CO₂ bindet (Mitigation). Die Priorisierung solcher Win-Win-Projekte maximiert die Wirkung jedes investierten Euros und löst den scheinbaren Konflikt zwischen Mitigation und Adaptation auf.

Warum sind 80% der Klimaneutralitäts-Claims von Unternehmen irreführend?

Der Begriff „klimaneutral“ ist allgegenwärtig, doch in den meisten Fällen handelt es sich um eine gefährliche Illusion. Der Hauptgrund für diese Irreführung liegt in der Praxis der CO₂-Kompensation. Anstatt Emissionen radikal zu reduzieren, kaufen viele Unternehmen günstige Zertifikate von oft fragwürdigen Klimaschutzprojekten, um sich auf dem Papier „freizukaufen“. Dies ist nicht nur ineffektiv, sondern schafft eine massive Glaubwürdigkeitslücke und verzögert echte Klimaschutzanstrengungen.

Die Zahlen sind alarmierend: Eine umfassende Untersuchung deckte auf, dass bis zu 90% der auf dem Markt verfügbaren Waldschutz-Zertifikate keine nachweisbare Klimawirkung haben. Die Projekte verhindern oft keine reale Abholzung oder die CO₂-Speicherung ist nur temporär und nicht dauerhaft gesichert. Diese Praxis ist reines Greenwashing. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dieser Praxis 2024 einen Riegel vorgeschoben: Das Urteil verlangt, dass Begriffe wie „klimaneutral“ direkt am Produkt oder in der Werbung präzise erklärt werden müssen – inklusive der Angabe, ob dies durch Reduktion oder Kompensation erreicht wird. Ein bloßer Verweis auf eine Webseite reicht nicht mehr aus. Die Deutsche Umwelthilfe hat in diesem Bereich bereits über 100 Verfahren gegen irreführende Werbung erfolgreich geführt.

Die wissenschaftliche Kritik an solchen Kompensationsmodellen ist fundamental. Prof. Clemens Kaupa von der Universität Amsterdam formulierte es im Kontext des Shell-Greenwashing-Falls unmissverständlich:

Es gibt keinen Nachweis, dass sich der langfristige Schaden, den CO2-Emissionen verursachen, die bis zu 1000 Jahre in der Atmosphäre bleiben, durch waldbasierte Kompensationsprojekte ausgleichen ließe.

– Prof. Clemens Kaupa, Handelsblatt

Für Klimaschutzbeauftragte und Entscheider bedeutet das: Die Priorität muss immer auf der direkten Vermeidung und Reduktion von Emissionen innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette liegen (Scope 1, 2 und 3). Kompensation sollte, wenn überhaupt, nur als letztes Mittel für unvermeidbare Restemissionen dienen und ausschließlich über hochwertige Zertifikate erfolgen, die nachweislich zusätzliche und permanente CO₂-Bindung garantieren.

Wie Sie über Klimakrise kommunizieren, um zu mobilisieren statt zu lähmen

Die reine Konfrontation mit apokalyptischen Fakten und abstrakten CO₂-Zahlen führt oft nicht zu Handlung, sondern zu Handlungslähmung. Menschen fühlen sich überfordert, hilflos und schalten mental ab. Effektive Klimakommunikation vermeidet diese Falle, indem sie psychologische Prinzipien nutzt, um Menschen zu aktivieren statt zu demotivieren. Der Schlüssel liegt darin, Probleme stets mit konkreten, erreichbaren Handlungsmöglichkeiten zu koppeln und positive Zukunftsbilder zu entwerfen.

Ein mächtiger Hebel ist die Nutzung sozialer Normen. Anstatt nur moralisch zu appellieren, ist es weitaus wirksamer zu zeigen, dass erwünschtes Verhalten bereits praktiziert wird oder im Kommen ist. Eine klassische Feldstudie in Hotels zeigte, dass der Hinweis auf soziale Normen zu einer 75%igen Steigerung der Handtuchwiederverwendung führte – weitaus mehr als ein einfacher Umweltappell. Statt zu sagen „Sparen Sie Energie!“, kommunizieren Sie „70% unserer Abteilung nehmen bereits am Energiesparprogramm teil!“. Dies erzeugt einen sanften sozialen Druck und das Gefühl, Teil einer positiven Bewegung zu sein.

Die folgenden Strategien haben sich in der Klimakommunikation als besonders wirksam erwiesen, um Menschen zu mobilisieren:

  • Opportunity-Framing statt Threat-Framing: Kommunizieren Sie die Chancen und positiven Nebeneffekte von Klimaschutz (sauberere Luft, lebenswertere Städte, neue Jobs) anstatt nur die Bedrohungen.
  • Soziale Normen nutzen: Machen Sie positives Verhalten sichtbar („Viele Ihrer Nachbarn nutzen bereits Solarenergie“).
  • Dynamische Normen aufzeigen: Betonen Sie Trends („Immer mehr Menschen steigen auf das Fahrrad um“), auch wenn sie noch nicht die Mehrheit darstellen.
  • Konkrete lokale Auswirkungen nennen: Sprechen Sie über die Zunahme von Hitzetagen in der eigenen Stadt statt über das globale 1,5-Grad-Ziel.
  • Handlungsmöglichkeiten immer mitkoppeln: Zeigen Sie nach jeder Problembeschreibung sofort einen klaren, machbaren nächsten Schritt auf.
  • An Werte anknüpfen: Verbinden Sie Klimaschutz mit Werten, die der Zielgruppe wichtig sind (z.B. Heimat, Gesundheit, Sicherheit für die Kinder).
  • Kollektive Wirksamkeit betonen: Vermitteln Sie das Gefühl, dass gemeinsames Handeln einen Unterschied macht („Gemeinsam können wir das schaffen“).

Wie Sie eine glaubwürdige Net-Zero-Roadmap in 5 Phasen aufbauen

Eine glaubwürdige Net-Zero-Roadmap ist das Gegenstück zu irreführenden „klimaneutral“-Claims. Sie ist ein transparenter, langfristiger und wissenschaftsbasierter Plan zur Dekarbonisierung. Der entscheidende Unterschied: „Net-Zero“ nach wissenschaftlicher Definition bedeutet eine Reduktion der Emissionen um mindestens 90%, bevor die verbleibenden Restemissionen durch dauerhafte CO₂-Entnahme neutralisiert werden dürfen. Es geht also um echte Transformation, nicht um billigen Freikauf. Dabei ist die vollständige Erfassung der Scope-3-Emissionen – also jener aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette – nicht verhandelbar.

Der Aufbau einer solchen Roadmap folgt einem strukturierten Prozess in fünf Phasen. Er beginnt mit radikaler Transparenz und endet mit der Verankerung der Klimaziele in der Unternehmenssteuerung. Der Prozess zwingt eine Organisation, sich ehrlich mit ihren größten Emissionsquellen auseinanderzusetzen und eine klare Abfolge von Maßnahmen mit definierten Meilensteinen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Dies schafft nicht nur interne Klarheit, sondern auch externes Vertrauen bei Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit.

Detaillierte Visualisierung des 5-Phasen-Prozesses zur Net-Zero-Roadmap

Der folgende Plan dient als Leitfaden für die Entwicklung und Implementierung einer solchen Roadmap. Er stellt sicher, dass alle kritischen Aspekte von der Datenerfassung bis zur Governance berücksichtigt werden.

Ihr Aktionsplan: In 5 Phasen zur glaubwürdigen Net-Zero-Roadmap

  1. Phase 1 – Radikale Transparenz: Veröffentlichen Sie eine vollständige CO₂-Bilanz, die alle drei Scopes umfasst. Dies ist die unverzichtbare Datengrundlage für alle weiteren Schritte.
  2. Phase 2 – Baseline etablieren: Definieren und kommunizieren Sie klar den Ausgangspunkt (z.B. Emissionen im Jahr 2023), von dem aus die Reduktionsziele gemessen werden.
  3. Phase 3 – Dekarbonisierungshebel identifizieren: Analysieren Sie die Emissions-Hotspots und identifizieren Sie die Maßnahmen, die den größten Reduktionserfolg pro investiertem Euro versprechen (Effizienz, Elektrifizierung, erneuerbare Energien).
  4. Phase 4 – Maßnahmenplan mit Meilensteinen: Legen Sie konkrete, wissenschaftsbasierte Zwischenziele (z.B. -50% bis 2030) und einen klaren Zeitrahmen für die Umsetzung der identifizierten Maßnahmen fest.
  5. Phase 5 – Governance verankern: Integrieren Sie die Klimaziele fest in die Unternehmensstrategie, indem Sie sie beispielsweise an die Vergütung des Managements koppeln und klare Verantwortlichkeiten definieren.

Warum kollabiert Insektenvielfalt selbst in Naturschutzgebieten?

Der dramatische Rückgang der Insektenvielfalt ist eine stille Krise, die eng mit dem Klimawandel verwoben ist und die Verletzlichkeit unserer Ökosysteme aufzeigt. Das Beunruhigende daran: Dieser Kollaps findet nicht nur in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten statt, sondern auch in ausgewiesenen Naturschutzgebieten. Dies belegt, dass lokale Schutzmaßnahmen allein nicht ausreichen, wenn die übergeordneten Stressfaktoren weiterbestehen. Es ist ein klares Symptom für eine systemische Überlastung, die durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren verursacht wird.

Einer der Haupttreiber ist der sogenannte „Cocktail-Effekt“ von Pestiziden. Selbst wenn einzelne Pflanzenschutzmittel unter den gesetzlichen Grenzwerten liegen, entfaltet ihre Kombination im Ökosystem unvorhergesehene und oft hochtoxische Wirkungen auf Insekten und andere Lebewesen. Hinzu kommt die Fragmentierung der Lebensräume durch Straßen und Siedlungen, die selbst Schutzgebiete zu isolierten Inseln machen und den genetischen Austausch unter Populationen verhindern. Ein weiterer, oft unterschätzter Faktor ist die Lichtverschmutzung, die den Orientierungssinn und den Lebensrhythmus nachtaktiver Insekten massiv stört.

Die Folgen dieses Kollapses sind bereits heute messbar und ökonomisch relevant. Insekten sind unverzichtbar für die Bestäubung von Nutzpflanzen und die natürliche Schädlingskontrolle. Ihr Verschwinden destabilisiert ganze Ökosysteme, was sich auch auf die Forstwirtschaft auswirkt. So meldete das Statistische Bundesamt für Deutschland 16,8 Millionen Kubikmeter Schadholz durch Insektenbefall allein in den ersten drei Quartalen 2024, ein klares Zeichen für ein aus dem Gleichgewicht geratenes System. Der Insektenschwund ist somit nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein ökonomisches Alarmsignal, das die Dringlichkeit für einen ganzheitlichen, systemischen Ansatz im Umwelt- und Klimaschutz unterstreicht.

Das Wichtigste in Kürze

  • Fokus auf Reduktion, nicht Kompensation: Echte Dekarbonisierung in der eigenen Wertschöpfungskette (Scope 1-3) hat immer Vorrang vor dem Kauf von CO₂-Zertifikaten.
  • Systemische Hebel identifizieren: Statt auf symbolische Einzelaktionen zu setzen, konzentrieren Sie sich auf Maßnahmen mit dem größten Impact im Verhältnis zum Aufwand (Impact-Effort-Matrix).
  • Doppelte Dividende anstreben: Priorisieren Sie Projekte, die gleichzeitig Emissionen senken (Mitigation) und die Widerstandsfähigkeit gegen Klimafolgen erhöhen (Adaptation).

Wie Sie Ihre Organisation auf Extremwetter-Schocks vorbereiten und Ausfallzeiten um 70% reduzieren

Während Mitigation die zukünftige Erwärmung begrenzt, ist die Vorbereitung auf bereits unvermeidbare Extremwetterereignisse (Adaptation) ein Gebot der unternehmerischen Vernunft. Hitzewellen, Starkregen, Stürme und Dürren sind keine fernen Zukunftsszenarien mehr, sondern reale Risiken für Betriebsabläufe, Lieferketten und die Sicherheit von Mitarbeitenden. Eine proaktive Resilienzstrategie ist der Schlüssel, um Ausfallzeiten zu minimieren und die Organisation widerstandsfähiger zu machen. Ziel ist es, von einem reaktiven Krisenmanagement zu einer vorausschauenden Risikoprävention überzugehen.

Der erste Schritt ist die Durchführung eines systematischen Klima-Stresstests. Dabei analysieren Sie, wo Ihre Organisation am verwundbarsten ist. Sind es die IT-Serverräume bei Hitzewellen? Die Just-in-Time-Lieferketten bei Überschwemmungen? Die Wasserversorgung des Produktionsstandorts bei Dürre? Basierend auf dieser Schwachstellenanalyse können gezielte Präventionsmaßnahmen entwickelt werden. Dazu gehören die Diversifizierung von Lieferanten, der Aufbau redundanter Systeme, die Anpassung des Versicherungsschutzes und die Entwicklung von Notfallplänen, die regelmäßig geübt werden.

Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft, wie spezifische Risiken durch gezielte Maßnahmen adressiert und Schäden signifikant reduziert werden können:

Diese Maßnahmen sind keine reinen Kostenfaktoren, sondern Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Sie sichern die Betriebsfähigkeit, schützen Werte und stärken das Vertrauen von Mitarbeitenden und Geschäftspartnern. Eine resiliente Organisation ist nicht nur besser gegen Klimarisiken gewappnet, sondern oft auch effizienter und innovativer.

Die Umsetzung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen ist kein Sprint, sondern ein strategischer Marathon. Beginnen Sie noch heute damit, die in diesem Leitfaden beschriebenen Werkzeuge anzuwenden, um Ihre Organisation oder Kommune von einem passiven Beobachter zu einem aktiven Gestalter der klimaresilienten Zukunft zu machen.

Resilienz-Strategien für verschiedene Extremwetter-Szenarien
Extremwetter Risiko Präventionsmaßnahme Effekt
Hitzewelle Produktivitätsverlust Klimatisierung, Hitzefrei-Regelung -60% Ausfall
Starkregen Infrastrukturschaden Wasserspeicher, erhöhte Serverräume -70% Schaden
Sturm Lieferkettenausfall Multiple Lieferanten, lokale Lager -50% Verzögerung
Dürre Wasserknappheit Regenwassernutzung, Wassersparmaßnahmen -40% Verbrauch
Geschrieben von Dr. Sabine Hoffmann, Dr. Sabine Hoffmann ist Klimawissenschaftlerin und Nachhaltigkeitsstrategin mit 13 Jahren Erfahrung in Klimaanpassung und Dekarbonisierungsstrategien. Sie leitet derzeit ein Beratungsunternehmen für kommunale Klimaschutzplanung und ist zertifizierte Klimarisiko-Analystin nach TCFD-Standards.